09 Haftung in digitalen Projekten
Eine wichtige Art der Kausalhaftung ist die Produktehaftpflicht (schweizerische Schreibweise mit «e»!). Obwohl diese Haftpflicht nur wenigen effektiv bekannt ist, wird diese in der Praxis immer wichtiger (s. nachfolgend). Geregelt ist die Produkthaftpflicht in der Schweiz im Produktehaftpflichtgesetz (PrHG). Die Produktehaftpflicht dient im Wesentlichen, aber nicht nur, dem Konsumentenschutz. Das Gesetz erleichtert es grundsätzlich den Konsumentinnen und Konsumenten bei Schäden aus Produktfehlern entschädigt zu werden.
Haftpflichtiger
Haftpflichtiger ist gemäss Art. 1 i.V.m. Art. 2 PrHG primär der Hersteller, d.h. die Person, die das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. «Hersteller» im Sinne des Gesetzes ist aber auch jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt und somit gegenüber den Kunden wie ein Hersteller auftritt (Anscheinshersteller, Quasihersteller). Das ist heute z.B. häufig bei Eigenprodukten der Retailer Coop und Migros der Fall. «Hersteller» im Sinne des Gesetzes kann aber auch ein Importeur werden. Für diesen ist darum eine strikte präventive Qualitätskontrolle (s. dazu nachfolgend) essenziell. Schlussendlich gilt jeder in der Lieferkette als «Hersteller» im Sinne des Gesetzes, wenn er dem Kunden nicht innerhalb angemessener Frist den effektiven Hersteller nennen kann.
Schaden
Nach Art. 1 PrHG kommt dieses zur Anwendung bei Personenschäden (Verletzung, Tod) und Sachschäden. Bei letzteren erscheint wiederum der konsumentenschutzrechtliche Charakter des Gesetzes. Das PrHG kommt nur bei Schäden an Sachen zur Anwendung, die nach ihrer Art gewöhnlich zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt und vom Geschädigten hauptsächlich privat verwendet worden sind. Zudem kommt das PrHG nicht auf Schäden am fehlerhaften Produkt selbst zur Anwendung. Solche Schäden müssen über die konventionelle vertragliche oder ausservertragliche Haftung geltend gemacht werden.
Produkt
Gemäss Art. 3 PrHG gilt als Produkt gemäss diesem Gesetz jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet. Als bewegliche Sache nennt das Gesetz explizit Elektrizität. Nach herrschender Lehre gilt jedoch auch Software, insbesondere auch eine App, als Produkt im Sinne von Art. 3 PrHG (insb. HAVE 2017, Barbara Klett, S. 104 ff., mit weiteren Verweisen).
Haftungsvoraussetzung
Voraussetzung für eine Haftung nach PrHG ist ein Schaden, der durch einen Fehler eines Produktes entstanden ist, wobei der Geschädigte, den Fehler, den Schaden und einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden belegen muss. Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist (s. dazu auch nachfolgend Produktesicherheitsgesetz). Dabei spielen insbesondere die Art und Weise, in der es dem Publikum präsentiert wird, der Gebrauch, mit dem vernünftigerweise gerechnet werden kann und der Zeitpunkt, in dem es in Verkehr gebracht wurde, eine Rolle (Art. 4 PrHG). Kommt dazu, dass, im Sinne eines Selbstbehalts, gemäss Art. 6 PrHG lediglich Schäden nach PrHG geltend gemacht werden können, die den Betrag von CHF 900 übersteigen (also ab CHF 901). Obwohl das Gesetz hier effektiv von einem «Selbstbehalt» spricht, ist es nicht so, dass ein Geschädigter diesen Betrag in jedem Fall selbst tragen muss. Denn er kann ihn ja auch konventionell über die vertragliche oder ausservertragliche Haftung geltend machen.
Produktesicherheitsgesetz
Im Kontext der Produkthaftung spielt auch das Produktesicherheitsgesetz (PrSG) eine wichtige Rolle. Denn dieses definiert, neben produktspezifischen Vorschriften, in allgemeiner Form die gemäss Produkthaftpflichtgesetz zu erwartende Produktsicherheit.
Ausnahmen von der Haftung
Der Hersteller kann sich gemäss Art. 5 PrHG entlasten bzw. haftet nicht, wenn er beweist, dass er das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat, nach den Umständen davon auszugehen ist, dass der Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht vorlag, als er das Produkt in Verkehr brachte, er das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat, der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt verbindlichen, staatlichen Vorschriften entspricht oder der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde, nicht erkannt werden konnte. Der Hersteller eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts haftet ferner nicht, wenn er beweist, dass der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in das der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers dieses Produkts verursacht worden ist.
Keine Wegbedingung der Haftung
Gemäss Art. 8 PrHG kann die Haftung nach diesem Gesetz nicht ausgeschlossen werden (zwingende Bestimmung!).
Präventive Qualitätskontrolle
Insbesondere wegen der Produkthaftung nach Produktehaftpflichtgesetz ist es für einen potenziellen Hersteller gemäss diesem Gesetz (s. vorne) enorm wichtig, eine strikte Qualitätskontrolle seiner Produkte durchzuführen und er benötigt auch unbedingt eine Versicherung, die das Risiko der Produktehaftung deckt.
Kantonales Labor Zürich – Qualitätskontrolle Spielzeuge (Quelle: Tages-Anzeiger Online 24.02.2011)