04.11 Allgemeine Geschäftsbedingungen

04 Verträge in digitalen Projekten

Eine bedeutende Rolle spielen im Vertragsrecht in der digitalen Welt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGB (auch Allgemeine Vertragsbedingungen bzw. im Versicherungsgeschäft auch Allgemeine Versicherungsbedingungen, kurz AVB), notabene, weil der E-Commerce naturgemäss als Massengeschäft angelegt ist und man in diesem nicht mit jedem Kunden umfangreiche individuelle Verträge verhandeln und abschliessen kann. Kommt dazu, dass erfahrungsgemäss Branchen, die mit der digitalen Welt verbunden sind, offensichtlich auch bei einzelnen Geschäften keine Lust haben, umfangreiche individuelle Verträge auszuhandeln und abzuschliessen. Entsprechende Vertragsabschlüsse erfolgen darum oft schlicht mittels einfachem Austausch von Auftrag und Auftragsbestätigung. Gerade in diesem Kontext sind aber AGB, die die Details trotzdem schriftlich regeln, unabdingbar.

Bei den AGB handelt es sich um Vertragsklauseln, die eine Partei formuliert und generell auf alle ihre Geschäftsbeziehungen oder zumindest auf einen bestimmten Geschäftsbereich zur Anwendung bringt. Damit dienen AGB einerseits der Rationalisierung, bei kleineren Unternehmen können AGB aber auch als Checkliste dienen. D.h. man formuliert einmal AGB, zieht dafür evtl. sogar einen Rechtsanwalt bei, und muss sich dann nicht mehr bei jedem Geschäftsabschluss fragen, was man vereinbaren sollte. AGB haben aber noch eine wichtige verhandlungstaktische Funktion. Wer mit fix fertigen eigenen Vertragsklauseln in Vertragsverhandlungen einsteigt, hat grosse Chancen, diese in den Verhandlungen auch durchzusetzen (Vertragsdominanz); dies nur schon darum, weil viele Leute meinen, AGB könne man nicht abändern. Letzteres trifft natürlich nicht zu. AGB können immer durch individuelle Abreden geändert werden.

Ein entscheidender Punkt ist die Übernahme von AGB durch die jeweils andere Vertragspartei. Entgegen der landläufigen Ansicht, müssen AGB weder gelesen, noch verstanden werden. Es reicht, wenn die andere Vertragspartei die AGB zur Kenntnis nehmen konnte. Dabei ist es zwar möglich, die AGB einfach auf seiner Homepage zu publizieren. Wird ein Vertrag aber offline oder auf dem Korrespondenzweg abgeschlossen, empfiehlt es sich aus Gründen der Beweisbarkeit, die AGB der Offerte, dem individuellen Vertrag oder der Korrespondenz auch beizulegen. Im E-Commerce müssen die AGB so in den Online-Prozess eingebaut werden, dass der Vertrag nur mit der expliziten Annahme der AGB abgeschlossen werden kann.

Aus juristischer Sicht geht man sogar davon aus, dass die andere Vertragspartei die AGB gar nicht liest oder liest, aber nicht versteht. Aus diesem Grund werden auf AGB zwei spezielle Regeln zur Anwendung gebracht. Die Unklarheitsregel basiert auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 Zivilgesetzbuch, ZGB) und wird generell im Vertragsrecht angewandt. Die Regel besagt, dass unklare Klauseln, in diesem Fall in den AGB, zugunsten derjenigen Partei ausgelegt werden, die die AGB übernehmen muss und zuungunsten derjenigen Partei, die sie verwendet (lateinisch auch: in dubio contra stipulatorem). Daneben gibt es die Ungewöhnlichkeitsregel. Gemäss dieser Regel sind Bestimmungen in den AGB für den verpflichteten Vertragspartner dann unverbindlich, wenn dieser Vertragspartner mit einer für das entsprechende Geschäft ungewöhnlichen Bestimmung nicht rechnen musste.

Logischerweise müssen AGB vor dem Abschluss eines Vertrages (Art. 1 OR) der anderen Vertragspartei präsentiert werden. Am besten legt man die AGB bereits der Offerte bei. Eindeutig zu spät wäre die Präsentation der AGB mit der Rechnung.

Heute kommt es öfters vor, dass beide oder mehrere Parteien einer Vereinbarung eigene AGB haben, die sie im Vertragsverhältnis auch zur Anwendung bringen wollen. Dies ist jedoch nicht ratsam. Es kann zum sogenannten «Battle of the Forms» kommen, wenn die AGB widersprüchlich sind. Die Lösung ist, dass man die einen AGB nimmt und sie in einem individuellen Vertrag entsprechenden der akzeptablen Wünsche der anderen Partei/en anpasst.

Schlussendlich ist auch noch Art. 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen) zu beachten. Dieser Artikel besagt, dass unlauter handelt, wer AGB verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Wer also Konsumentinnen und Konsumenten «über den Tisch ziehen» will, sollte dies in einem individuellen Vertrag tun ;-).

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