09 Haftung in digitalen Projekten
Eine Versicherung bietet ihren Kundinnen und Kunden auf einem Kundenportal mit Login einen Chatbot an, der Auskünfte erteilt, wie ein Kundendienst-Mitarbeiter. Eine der juristischen Fragen, die sich beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), wie eines Chatbots, stellt, ist: Haftet ein Unternehmen für den Einsatz einer KI, in diesem Fall eines Chatbots?
Allgemeine haftungsrechtliche Fragen
Wie in jedem haftpflichtrechtlichen Fall stellen sich allgemeine haftpflichtrechtliche Fragen. Dieser werden zu Beginn dieses Kapitels 09 Haftung in digitalen Projekten behandelt und es wird für diese Fragen darum darauf verwiesen. Nachfolgend werden lediglich noch Fragen erörtert, die sich spezifisch in Bezug auf die Haftung für KI stellen.
Juristische Grundlagen für Haftung
Die Haftpflicht wird grundsätzlich in eine vertragliche und eine ausservertraglich aufgeteilt (s. Kapitel 09.01 Haftung und Haftungsarten). Für eine vertragliche Haftung (s. Kapitel 09.02 Vertragliche Haftung) ist ein dem Schadensereignis vorgehender Abschluss eines Vertrags notwendig (Art. 1 OR: «übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien»; s. Kapitel 04.01 Zustandekommen eines Vertrages). Bei der ausservertraglichen Haftung (s. Kapitel 09.03 Ausservertragliche Haftung) muss es sich beim schadensbegründenden Ereignis um die Folge einer schuldhaften (widerrechtlichen) Handlung des Schädigers (s. Kapitel 09.04 Verschuldenshaftung nach Art. 41 OR) oder um eine Kausalhaftung, also einer Haftung aufgrund einer entsprechenden Konstellation (s. Kapitel 09.05 Kausalhaftung), handeln. In allen Fällen wird für eine Haftung ein Schaden sowie einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadensbegründenden Ereingnis verlangt (s. Kapitel 09.04 Verschuldenshaftung nach Art. 41 OR).
Haftung für KI basierend auf Vertrag
In vielen Fällen ist man sich als Nutzer einer KI nicht bewusst, weil sie irgendwo im Hintergrund einer Anwendung läuft. Bewusst nutzen wir KI jedoch, wenn wir einen Chatbot eines Unternehmens im Rahmen seines Kundenservices, wie im eingangs erwähnten Beispiel, oder ChatGPT & Co. nutzen. In diesen Fällen entscheiden wir uns aktiv für die Nutzung von Chatbots und akzeptieren die entsprechenden Nutzungsbedingungen. Aber auch ohne explizite Nutzungsbedingungen gehen wir als Nutzer m.E. einen Nutzungsvertrag im Sinne von Art. 1 OR ein (siehe oben). Damit besteht eine vertragliche Haftungsgrundlage.
Haftung für KI basierend auf Verschulden/Widerrechtlichkeit
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Haftung für KI basierend auf Konstellation (Kausal)
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[Software ist Produkt i.S. von PrHG –> Produktehaftpflicht]
Mögliche Haftpflichtige
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Rückgriff auf Provider
Wenn ein Unternehmen, wie die eingangs erwähnte Versicherung, gegenüber seiner Kunden eine KI zur Anwendung bringt, basiert diese auf einem Sprachmodell (Large Language Model, LLM), das das Unternehmen von einem Provider, wie z.B. OpenAI bezieht, das auch von diesem Provider trainiert wurde. Zusätzlich wird das Unternehmen aber die entsprechende KI auch noch in Bezug auf seine individuellen Bedürfnisse prompten und mit eigenen Informationen trainieren. In Bezug auf das individuelle Prompten und Training kann das Unternehmen keinen Rückgriff auf den Provider nehmen und haftet ausschliesslich. Für das Sprachmodell an sich besteht aber ein Vertrag mit dem Provider und das Unternehmen kann auf diesen Rückgriff nehmen. Zu beachten ist, dass der entsprechende Provider mit grosser Wahrscheinlichkeit seinen Sitz nicht in der Schweiz haben wird und somit allenfalls ein anderes Recht mit anderen Bestimmungen zu Haftung und vor allem Haftungsausschluss zur Anwendung kommen wird.
Haftungsausschluss möglich?
Wie in Kapitel 09.09 Haftungsausschluss im Detail ausgeführt, ist ein Haftungsausschluss basierend auf das schweizerische Recht grundsätzlich schwierig. Bei der vertraglichen Haftung kann diese grundsätzlich nur für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden (Art. 100 OR). Bei der Verschuldenshaftung gibt es zwar regelmässig die Exkulpation. Aber die Möglichkeit des Ausschlusses der Haftung ist mir nicht bekannt. Auch die Kaushalftung kennt in einigen Fällen die Exkulpation. Auch hier ist mir die Möglichkeit der Ausschluss der Haftung grundsätzlich nicht bekannt. Im Rahmen der Produkthaftung ist der Haftungsausschluss sogar gemäss Art. 8 PrHG explizit ausgeschlossen.
Haftpflichtversicherung für KI-Applikationen
Da ein Haftungsausschluss für KI-Applikationen weitgehend unmöglich ist, sollte dafür eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen oder eine bestehende Haftpflichtversicherung sollten entsprechend ergänzt werden. Im Detail verweise ich dafür auf Kapitel 09.13 Haftpflichtversicherung.