03.07 Digitale Nomaden

03 Arbeitnehmer in der digitalen Welt

Vor einiger Zeit wollte das Bundesamt für Statistik von mir wissen, ob ich in Zürich (Sitz unserer Kanzlei) oder in Luzern (Niederlassung) arbeite. Meine Antwort war, dass ich praktisch ausschliesslich digital und virtuell arbeite, also ortsunabhängig. Eine solche Kategorie kennen die Statistiker des Bundes aber offenbar (noch) nicht.

Auch als Rechtsanwalt und Hochschuldozent würde ich wohl so zu den sogenannten «digitalen Nomaden» zählen. Digitale Nomaden sind Personen, die ortsunabhängig arbeiten und ihren Lebensunterhalt durch digitale Tätigkeiten verdienen. Sie nutzen moderne Technologien, um von verschiedenen Orten aus zu arbeiten, sei es aus Cafés, Co-Working-Spaces oder von exotischen Reisezielen. Typische Berufe sind etwa IT-Entwicklung, digitales Marketing, Content Creation oder Online-Beratung. Digitale Nomaden können sowohl im Inland als auch im Ausland tätig sein. Sogar Unternehmen reagieren auf diesen Trend und schaffen gezielt Workation-Angebote, die es ermöglichen, berufliche Tätigkeiten mit Urlaub an beliebten Reisezielen zu kombinieren. Dadurch entwickelt sich das digitale Nomadentum weiter und gewinnt an Anerkennung als eigenständige, flexible Arbeitsform.

Für digitale Nomaden ergeben sich verschiedene rechtliche Probleme, insbesondere bezüglich Aufenthaltsstatus, Krankenversicherung, Sozialversicherungen und Steuern. Nachfolgend wird die Situation von digitalen Nomadinnen und Nomaden mit schweizerischer Staatsangehörigkeit beleuchtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass entweder nur juristische Aussagen aus schweizerischer Sicht oder nur sehr allgemeine Aussagen aus Sicht der ausländischen Destination gemacht werden können. Weiter wird davon ausgegangen, dass der digitale Nomade, die digitale Nomadin selbständigerwerbend (Freelancer) ist (s. dazu Kapitel 03.02 Unterschied zwischen Angestelltenverhältnis und Freelancing).

Aufenthaltsstatus

Schweizer Staatsangehörige, die für mehr als drei Monate ins Ausland verreisen, ihre Unterkunft aufgeben und nicht die Absicht haben, in absehbarer Zeit in die Schweiz zurückzukehren, müssen sich bei ihrer Wohnsitzgemeinde abmelden. Wer seine Wohnung nicht aufgibt und plant, sporadisch in die Schweiz zurückzukehren, muss sich bei der zuständigen Einwohnerkontrolle über die Meldepflichten erkundigen. Im Ausland müssen sich dann Schweizer Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, bei der für ihren ausländischen Wohnort zuständigen Schweizer Vertretung innert 90 Tagen nach ihrer Abmeldung in der Schweiz wieder anmelden.

Viele Nomaden behalten jedoch eine Adresse in der Schweiz, um weiterhin Beiträge an die Krankenkasse sowie in die Sozialversicherungen leisten zu können (s. dazu nachfolgend).

Dank der Bilateralen Abkommen Schweiz–EU werden Schweizer Staatsangehörige in allen EU/EFTA-Ländern wie EU-Staatsangehörige behandelt: Sie können mit einem gültigen Identitätsausweis (ID oder Pass) einreisen, eine Arbeit aufnehmen und im Land selbst einen Daueraufenthalt anmelden. Für Liechtenstein gilt eine Sonderregelung.

Falls in einem Land ein Visum erforderlich ist, entscheiden sich viele digitale Nomadinnen und Nomaden für ein Touristenvisum, was jedoch aus arbeits- und steuerrechtlicher Sicht problematisch ist. Der Grund dafür liegt darin, dass ein Touristenstatus keine Erwerbstätigkeit im Gastland zulässt. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, bieten mittlerweile 66 Länder spezielle Visa für digitale Nomaden an, deren konkrete Ausgestaltung von Land zu Land unterschiedlich ist (s. citizen remote, 66 Digital Nomad Visa Countries in 2024).

Arten von Visa für digitale Nomaden
Touristenvisum: Ein Touristenvisum ist eine temporäre Aufenthaltserlaubnis, die digitale Nomaden erlaubt, das Gastland für einen begrenzten Zeitraum zu besuchen. Die Gültigkeitsdauer eines Touristenvisums variiert je nach Land und kann zwischen einigen Wochen bis zu mehreren Monaten betragen.
Langzeit-Touristenvisum: Einige Länder bieten auch langfristige Touristenvisa an, die digitalen Nomaden einen längeren Aufenthalt im Gastland ermöglichen, ohne dass sie eine Arbeitserlaubnis benötigen. Diese Visa-Kategorie ist besonders interessant für digitale Nomaden, die in einem bestimmten Land leben und arbeiten möchten, ohne dabei die Visaregelungen zu missachten.
Arbeitsvisum: Ein Arbeitsvisum ermöglicht es digitalen Nomaden, im Gastland zu arbeiten und eine Vergütung zu erhalten. Je nach Land und Art des Arbeitsvisums kann es jedoch schwierig sein, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Selbständigen-Visum: Einige Länder bieten auch spezielle Visa-Kategorien für selbständige Arbeitnehmer oder Freiberufler an, die es digitalen Nomaden ermöglichen, im Gastland zu leben und zu arbeiten.
Investorenvisum: In einigen Ländern ist es auch möglich, ein Investorenvisum zu beantragen, das digitale Nomaden erlaubt, im Gastland zu leben und zu arbeiten, wenn sie eine bestimmte Investition in das Land tätigen.
Quelle: DIA e. V., Visum für digitale Nomaden

Krankenversicherung

Solange der Wohnsitz in der Schweiz besteht (s. dazu Art. 23 ZGB), gilt weiterhin die Pflicht zur Krankenversicherung. Wird der Wohnsitz jedoch ins Ausland verlegt, entfällt dieser Versicherungsschutz. In diesem Fall können sich digitale Nomadinnen und Nomaden freiwillig über eine Schweizer Krankenkasse versichern, sofern die Krankenkasse entsprechende Zusatzangebote für Auslandschweizer anbietet. Diese freiwilligen internationalen Versicherungen unterscheiden sich hinsichtlich Leistungen und Prämien teils deutlich von der obligatorischen Grundversicherung und bieten oft flexiblere Lösungen, wie etwa weltweiten Schutz, unterschiedliche Deckungsgrade oder Zusatzversicherungen für Rücktransporte oder spezielle medizinische Behandlungen.

Neben einer Krankenversicherung ist für digitale Nomadinnen und Nomaden auch eine Unfallversicherung ratsam.

Sozialversicherungen

Digitale Nomadinnen und Nomaden mit Schweizer Staatsangehörigkeit können nicht der freiwilligen AHV/IV beitreten. Sie unterliegen der Versicherungspflicht im Residenzland. Wenn jedoch digitale Nomadinnen und Nomaden mit Schweizer Staatsangehörigkeit in ein Land ausserhalb der EU/EFTA übersiedeln, können sie der freiwilligen AHV/IV beitreten. Bedingung ist, dass sie zuletzt fünf Jahre in der obligatorischen AHV/IV versichert waren. Sie müssen sich innerhalb eines Jahres bei der für Ihren Wohnort zuständigen schweizerischen Vertretung anmelden.

Steuern

Die steuerliche Situation variiert stark von Land zu Land. Wer ständig unterwegs ist, ohne einen neuen Wohnsitz zu begründen, bleibt grundsätzlich weiterhin in der Schweiz steuerpflichtig (s. dazu auch Art. 3 ff. Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, DBG). Bei einem wechselnden Aufenthalt an mehreren Orten bestimmt der persönliche Lebensmittelpunkt den steuerrechtlichen Wohnsitz. Einige Nomaden-Visa enthalten spezifische steuerrechtliche Regelungen, deren Voraussetzungen aber jeweils landesspezifisch geprüft werden müssen.

Reiseversicherung

Auch als digitaler Nomade empfiehlt es sich, eine klassische Reiseversicherung abzuschliessen. Diese übernimmt Annullationskosten, bietet Schutz bei Gepäckdiebstahl und deckt teilweise auch Rettungs- sowie Rückführungskosten in die Schweiz bei schwerer Krankheit oder nach einem Unfall ab.

Quellen und weitere Informationen
EDA, Auswandern
NZZ 17.04.2023 Digitale Nomaden arbeiten rund um den Globus – und in rechtlichen Grauzonen

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